Luhmanns Humor

“Der gag [sic!] heiligt die Mittel […].” (Luhmann, Soziale Systeme, FfM 1984, S. 459, Fn. 164) Gerade weil die systemtheoretische Tätigkeit ein recht nüchternes Sprachspiel bildet, blitzt der Humor in ihm umso mehr auf. Auf diesen kontextbedingten Effekt muss ich an dieser Stelle verzichten, da ich nur einzelne Textpassagen, in denen ein Gag kulminiert, zitieren kann. Luhmann merkt gleichsam an, dass Witz solidarisierend wirken kann dadurch, dass

“er heimliche Verständnisvoraussetzungen, also Bewußtsein in Anspruch nimmt, ohne daraus soziale Strukturen zu bilden. Eben deshalb ist dafür die Form des Einzelereignisses unerläßlich: Ein Witz muß neu sein und unwiederholbar. Er muß überraschen, darf aber nicht belehren. Er muß, obwohl er Bewußtsein komplex in Anspruch nimmt, rasch kapiert werden können, so daß er als Ereignis gemeinsam aktualisiert werden kann, ohne daß Konsens über Anzuschließendes gebildet werden muß. Er aktualisiert also die Sozialdimension, ohne sie kommunikativ zu thematisieren. Er bindet nicht. Er schneidet jede weitere Kommunikation, jede Rückfrage, jede Bemühung um weitere Erläuterung drastisch ab dadurch, daß er die Form einer Paradoxie wählt. Daß der Witz diese Stoßrichtung auf soziale Latenzen hat, läßt sich im übrigen auch daran ablesen, daß Witze auf Kosten Anwesender, das heißt auf Kosten des Bewußtseins, verboten sind – eine Norm, deren explizite Form weit in die Geschichte der Konversationsliteratur zurückverfolgt werden kann.” (ebd.)

Ich beginne mit einigen bekannteren Stellen aus “Soziale Systeme” und füge später einige, wie ich meine, weniger bekannte humoristische Einlagen hinzu. Über die Vollständigkeit der zitierten Gags kann ich keine Garantie geben – was bei einem zigtausend Seiten starken Gesamtwerk auch recht schwierig ist.

“Man kann sich dies wie ein ständiges Pulsieren vorstellen: mit jeder Themenwahl expandiert und retrahiert das System, nimmt Sinngehalte auf und läßt andere fallen. Insofern arbeitet ein Kommunikationssystem mit sinngemäß offenen Strukturen. Trotzdem kann das System eigene Grenzen entwickeln und sich daran halten, weil die Zumutbarkeit der Kommunikation im System eingeschränkt werden kann. Erst sekundär ergeben sich daraus dann wieder Schranken der Themenwahl oder auch Schranken der Ausdrucksformen, mit denen man in bestimmten Systemen zu rechnen hat. Es ist ungewöhnlich, wenn man in einer Diplomarbeit die Aussage ‚Alles Kacke‘ findet […].” (ebd., S. 200 f.)

“Man legt sich auf Standpunkte und Meinungen, die man in der Interaktion möglicherweise nicht initiieren oder nicht durchhalten könnte, vorher schriftlich fest. Ohne Thesenanschlag keine Reformation, ohne Preisschildchen kein reibungsloser Verkauf. Man kann dann in den folgenden Interaktionen auf das Geschriebene verweisen, über das Geschriebene sprechen und daran Halt finden, besonders wenn man auf einen Konflikt hinauswill. […] Bei einem Versuch, mit einer Ladeninhaberin längere Verhandlungen über den Preis einer Tafel Schokolade zu führen, habe ich die Erfahrung gemacht, daß sie anstelle von Argumenten immer wieder auf das Preisschildchen verwies, auf dem der Preis deutlich sichtbar aufgeschrieben war.” (ebd., S. 583, Fn. 50)

“Für Menschen liegt es zwar nahe, Gottes Beobachten auf den Menschen oder doch primär auf den Menschen zu beziehen und sich an der Illusion zu freuen, die Natur sei um des Menschen willen eingerichtet. Und richtig ist, daß ohne Gottes Beistand keine Toilettenspülung funktionieren würde.“ (Luhmann, Die Religion der Gesellschaft, FfM 2000, S. 160)
“[Die Argumentationstheorie] evaluiert Argumente im Hinblick auf ihre Überzeugungskraft für den Kommunikationsprozeß, im Hinblick also auf ihre Durchschlagskraft in der Kommunikation. Dies mag in vielen Fällen leicht einzuschätzen sein: In der Verordnung steht zwar nur, daß der Hund an die Leine muß; aber niemand wird ernsthaft zweifeln, daß dann auch der Herr an die Leine muß.” (Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, FfM 1993, S. 341 f.)

“Das einzige, was mir wirklich ein Ärgernis ist, das ist dieser Mangel an Zeit. Ich weiß nicht, ob es eine Utopie ist, unbegrenzt Zeit zu haben. Ich könnte mir also vorstellen, daß für mich der Tag 30 Stunden hat, für die anderen dagegen nur 24. Die anderen müßten dann immer schon schlafen, wenn ich noch alles mögliche tue.” (Luhmann, Archimedes und wir. Interviews, Berlin 1987, S. 139)

“Bei einer rationalen Einstellung zu Risiken ist es oft richtiger, den Schadenseintritt abzuwarten, als viel in (wahrscheinlich unnötige) Vorbeutung zu investieren. Ja, in dem Maße als ein System Schäden verkraften und ausgleichen kann, wird es rationaler, auf diese Fähigkeit zu setzen, statt zu versuchen, alles nur Denkbare zu verhindern. (Das muß nicht unbedingt gegen Zähneputzen sprechen).” (Luhmann, Soziologische Aufklärung 5, Opladen 1990, S. 190 f.)

“Gott weiß alles und kann alles. Er hat die Welt trotzdem nicht als offene, unentschiedene und unentscheidbare Kontingenz geschaffen, sondern ihr im Akt der Schöpfung bestimmte Formen gegeben, an die man sich halten kann, wenn es um Erkennen und Handeln geht. Er kann diese Ordnung durchbrechen und Wunder tun, aber, heute jedenfalls, hält er sich in dieser Hinsicht zurück.” (Luhmann, Das Erziehungsystem der Gesellschaft, FfM 2002, S. 184)

“Ich verkenne nicht, daß es für viele von uns, besonders in Notlagen, das Bedürfnis geben kann, mit Gott zu kommunizieren. Aber wozu? – wenn man ihn weder über etwas informieren kann, was er noch nicht weiß, noch erwarten kann, daß die Kommunikation ihn zu etwas motivieren könnte, was er anderenfalls nicht tun würde.“ (Luhmann, Soziologische Aufklärung 4, Wiesbaden 1987, S. 231)
“Zensuren schaffen […] die Möglichkeit von kurzfristigen Erfolgs-/Mißerfolgserlebnissen und außerdem eine Art Risikobewußtsein, das darin besteht, auszuprobieren, wie weit man ohne allzu viel Anstrengung und Aufwand kommt.” (Luhmann, Das Erziehungssystem der Gesellschaft, FfM 2002, S. 72 f.)

“Der Schulunterricht hält sich an Euklid, während es schon nichteuklidische Geometrien gibt. Atome und die ganze in ihnen veborgene Welt läßt sich nur ästhetisch (siehe Gracián) präsentieren. Vor allem aber schafft das Erziehungssystem sich für die jeweiligen Fächer hochgelobte Klassiker, an denen die Schulbücher (‘libri classici’) sich orientieren können. Letztlich scheint die Lösung in der Verschiebung des Problems in die Zukunft zu liegen. Man lernt, um wieder verlernen zu müssen, wenn es auf Genauigkeit oder Aktualität ankommt, und behält im übrigen ‘Bildung’ als Kondensat zurück. Hier zeigt sich auch der Vorteil des heute kaum noch angebotenen altsprachlichen Unterrichts. Bei Griechisch und Latein gibt es nichts zu verlernen; es genügt, es zu vergessen.” (ebd., S. 134)

“Wenn man Gäste hat und ihnen Wein einschenkt, wird man nicht plötzlich auf die Idee kommen, die Gläser seien unerkennbare Dinge an sich und möglicherweise nur als subjektive Synthese vorhanden. Vielmehr gilt: Wenn schon Gäste und wenn schon Wein, dann auch Gläser. Oder wenn man angerufen wird und der Mensch auf der anderen Seite des Satelliten unangenehm wird, wird man ihm nicht sagen: Was wollen Sie eigentlich, Sie sind doch bloß ein Konstrukt des Telephongesprächs!” (Luhmann, Die Realität der Massenmedien, Opladen 1996, S. 163)

“Vielleicht handelt es sich also bei ‘Neokonservativen’ um Wesen wie die westafrikanischen Leopardenmenschen, von denen viel geredet wird, die es aber möglicherweise gar nicht gibt.” (Luhmann, Am Ende der kritischen Soziologie, in: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 20, Heft 2, 1991, S. 149)

“Gerade Konkurrenz um dasselbe – nämlich um Zugang zu bestimmten Entscheidungskompetenzen – führt zu einer Angleichung und nicht zu einer Differenzierung der Strategien und Programmangebote. Auch in Mehrparteiensystemen findet man deshalb nicht selten, daß der Wahlmechanismus keinerlei Konflikte absorbiert und der Wahlausgang nahezu folgenlos bleibt, weil weder Personen, noch Programme, noch Parteien sich zu differenzieren vermögen. Dem Verfahren gelingt es dann zwar, Ungewißheit zu erzeugen, aber die Ungewißheit bleibt vordergründig, wie die künstlich organisierte Dramatik eines sportlichen Ereignisses. Mindestens in einer Hinsicht mißlingt dann auch die Ausdifferenzierung des politischen Systems, nämlich durch Verquickung von Politik und Unterhaltung.” (Luhmann, Legitimation durch Verfahren, Neuwied 1969, S. 161 f.)

“Vielleicht muss ich zunächst sagen, dass sie Schwierigkeiten haben, dieses Buch, es heißt Laws of Form, in den Bibliotheken zu finden, weil die Bibliothekare oft nicht wissen, dass Spencer schon zum Nachnamen gehört und deswegen unter den vielen Browns Spencer-Brown irgendwo mit Vornahmen Spencer abheften und sie suchen natürlich vergeblich, wenn sie im Fiche unter Sp nachgucken. Erst, seitdem er das gemerkt hat und seinen Namen mit Bindestrich schreibt, ist das für einen Teil der Bücher behoben, das Problem. Er heißt aber eben George Spencer-Brown, in zwei Worten geschrieben, und ist unter Spencer ins Literaturverzeichnis zu bringen, falls sie je soweit kommen, ein Literaturverzeichnis anfertigen zu müssen.” (Luhmann, Einführung in die Systemtheorie, 4. Vorlesung)

“Nachdem man einmal Kommunikation ‘erfunden’ hat, […], nachdem sie einmal entstanden ist, und zwar als nicht nur sporadische Abstimmung von Lebewesen, sondern als eine laufende Einrichtung, die es sogar als störend auftreten lässt, wenn Leute zusammen sind und nicht kommunizieren – Watzlawicks berühmtes Diktum: man kann nicht nicht kommunizieren – Ausnahme Eisenbahnabteil vielleicht. Wieder eine sehr spezifische Sondererlaubnis, nicht zu kommunizieren. Also diese ständige Kommunikation muss irgendwie als Evolutionspotential gewirkt haben.” (ebd., 6. Vorlesung)

“Wenn Gott zunächst einmal als Schöpfer der Welt außerhalb der Welt gedacht werden kann, unterscheidet er sich selbst dann von der Welt. Und wie kann er sich selbst bezeichnen, wie kann er ein Verhältnis zu sich selber gewinnen, wenn er die Unterscheidung sozusagen praktizieren muss, um das zu tun? Die Theologen haben natürlich die Möglichkeit, dann zu sagen, bei ihm ist alles anders.” (ebd., 7. Vorlesung)

“Und außerdem ist Sprache so ablenkend, so aufmerksamkeitsfangend, dass man, wenn gesprochen wird, kaum etwas anderes tun kann. Es gibt – und das ist ein merkwürdiges Phänomen, über das ich mir selbst nicht klar bin, was aber in diesen Zusammenhang gehört – es gibt eigentlich nur ein einziges Geräusch, was ebenso intrigierend, ebenso faszinierend, ebenso aufdringlich ist, und das ist das Klingeln von Telefonen. Man kann eigentlich nicht nicht hingehen. Selbst wenn man sich entschlossen hat, kein Telefon abzunehmen; wenn der andere Geduld genug hat, tut man es schließlich doch. Warum eigentlich? Weil da Sprache hintersteckt? Ich weiß es nicht.” (ebd., 12. Vorlesung)

“Einerseits muß ein Sinn des Ereignisses identifiziert werden, damit man die Wiederholung als Wiederholung erkennen kann. Andererseits geschieht dies in jeweils anderen Situationen, so daß ein Hinzulerneffekt eintritt: Man kann nicht nur im Schlafzimmer, sondern, seit es Fernsehen gibt, auch im Wohnzimmer einschlafen.” (Luhmann, Soziologie des Risikos, Berlin 1991, S. 60 f.)

“[…] dann kann aus sehr prinzipiellen Gründen niemand mehr Autorität und niemand mehr Authentizität und niemand mehr Aufrichtigkeit kommunizieren. Jeder Kommunikationsversuch setzt sich der Beobachtung als Kommunikation und damit dem Verdacht aus, daß gerade dies nicht stimmt. ‘Sonnensalz’ aus Urkräften der Sonne und der Erde gefort, steht auf der Packung. Aber die Sonne hat vor Jahrmillionen geschienen, und man fragt sich: warum sagt jemand gerade dies und gerade jetzt.” (Luhmann, Universität als Milieu, Bielefeld 1992, S. 131)

“Zugestanden, ja betont wird von Soziologen nicht selten, daß die Typenbeschreibung bzw. die Klassifikation von Menschen als Männer bzw. Frauen einen sozialen Definitionsprozeß voraussetzt und von ihm abhängt. Es geht dann letztlich um Mannsbilder und Weibsbilder. Dann wird sich ein empirisch orientierter Soziologe aber noch leicht wundern müssen, daß die Klassifikation in so hohem Maße faktisch zutrifft, das heißt mit biologischen Merkmalen übereinstimmt – so als ob die Gesellschaft doch erst einmal nachsähe, bevor sie jemanden als Mann bzw. als Frau klassifiziert. Auch muß man das linguistische Material, aus dem solche Vorstellungen oft abgezogen werden, als hochgradig unzuverlässig ansehen. […] Im Schwyzerdütsch beispielsweise werden Frauen, wenn ihr Name für vertrauten Umgang benutzt wird (und das geht, was soziale Beziehungen anlangt, weit über Intimverhältnisse hinaus), grammatisch mit sächlichem Geschlecht bezeichnet: s’Gritli, s’Hildi. Es ist aber nicht bekannt geworden, daß die Schweizer deshalb bei der Zeugung von Nachwuchs besondere Schwierigkeiten gehabt hätten. […] Sicher, und auch gegen Nachforschungen durch Soziologen gefeit, ist ja, daß nur wirkliche Frauen Kinder gebären können, auch wenn dies irgendeine Art von Intervention voraussetzt.” (Luhmann, Frauen, Männer und George Spencer-Brown, in: ders., Protest. Systemtheorie und soziale Bewegungen, FfM 1996, S. 113)

“Das führt dazu, daß die Funktionssysteme, die unter je ihrem Code autopoietisch geschlossen operieren, die Unterscheidung von Männern und Frauen aufnehmen können, wenn dies in ihrem Funktionskontext sinnvoll ist. […] Die politischen Parteien mögen es für opportun halten, vermehrt Frauen als Kandidatinnen aufzustellen. Die Wissenschaft mag sich unter den Beschränkungen ihrer theoretischen Mittel auf “Frauenforschung” einstellen. Die Sprachempfehlung mag sich durchsetzen, zumindest in offiziellen Dokumenten immer auch das andere Geschlecht mitzuerwähnen; Minister/Ministerin, Säugling/Säuglinin usw.” (ebd., S. 141)

“Wer vom Eiffelturm herunterspringt, kann aber den Sturz nicht wirklich genießen, weil er weiß, wie es ausgehen wird.” (Luhmann, Beobachter der Moderne, Opladen 1992, S. 150)

“Man weiß, daß auch die Kommunikation an Volumen, Komplexität, Speicherfähigkeit und Tempo zugenommen hat. Man weiß, daß sie mehr Wissen erinnern und, wohl deshalb, Wissen auch schneller veralten lassen kann. Man weiß, daß Telekommunikation die Bedeutung des Raums gegen Null tendieren läßt (obwohl es auf der Erde nach wie vor gleichzeitig Tag und Nacht ist je nach dem, wo man sich befindet und man folglich bei unbedachtem Telephonieren Leute aus den Betten holt).” (ebd., S. 166)

“Gewiß soll den Kritikern nicht das Wort abgeschnitten werden, und es geht auch nicht um eine in sich paradoxe Kritik des Kritisierens. Es bleibt genug zu tun, wenn es darum geht, ausfindig zu machen, woran es fehlt – in der Metaphysik oder bei der Müllabfuhr.” (Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft, FfM 1995, S. 164)

“Manchen Humanisten erscheint die ‚Systemtechnologie‘ schon deshalb als suspekt, weil amerikanische Firmen sie benutzen […].” (Luhmann, Die Moral der Gesellschaft, FfM 2008, S. 80)

“Dass die politische Kommunikation mit moralischen Inhalten durchsetzt ist, kann man jeden Tag beobachten. Mit deftigen Ausdrücken wird, wenn man der Berichterstattung in Funk und Presse trauen darf, nicht gespart. Und offenbar tragen die Medien, die dies vorzugsweise aufgreifen, das Ihre dazu bei, den Eindruck entstehen zu lassen, daß politische Kultur eine Kultur der wechselseitigen Beleidigungen ist, die so deutlich gewählt werden müssen, daß jeder sie auch ohne besondere Vorbildung versteht. Würden moralische Invektiven treffen und zutreffen, wäre die Szene schon längst geräumt und es gäbe nur noch einen einzigen Überlebenden: Richard von Weizsäcker.” (ebd., S. 170)
“Wir können auch so formulieren: Das soziale System kann die so wichtige Entscheidung zwischen Lernen und Nichtlernen nicht allein den [sic!] Integrationsmechanismus psychischer Systeme überlassen. Wenn ich zum Beispiel eine neue Sekretärin erhalte, finde ich meinen Erwartungsstil und damit auch meine Entscheidung zwischen Lernen und Nichtlernen sozial vorreguliert: In bezug auf ihr Aussehen – ich erwarte eine blonde, erhalte aber eine dunkle – habe ich lernbereit zu erwarten, kann zum Beispiel nicht das Umfärben der Haare verlangen. In bezug auf ihre Leistung habe ich lernunwillig zu erwarten; ich darf meine Erwartungen nicht jedem von ihr gewählten Leistungsniveau anpassen.” (ebd., S. 36)

“Seit einigen Jahren breitet sich die Kommunikation über ‘Ethik’ geradezu epidemisch aus – wie die Masern bei Kindern.” (ebd., S. 175)

“Zumindestens eine Forderung drängt sich zwingend auf: Bei allen Diskussionen über Ethik im allgemeinen und über Wirtschaftsethik im besonderen sollten die Protagonisten sich gehalten fühlen, genau zu sagen, was sie meinen und welche Regeln sie unter der Bezeichnung Ethik für moralisch begründbar halten. Diese Forderung ist ihrerseits kein (in diesem Falle wäre das ein paradoxes) ethisches Gebot, sondern schlicht eine Frage des Interesses an der weiteren Beteiligung an solchen Diskussionen. Ich suche schon die Wagenschlüssel in meiner Tasche.” (ebd., S. 199)

“Wie immer, es spricht viel dafür, daß die Moral vom Teufel ist.” (ebd., S. 207)

“Aber warum hat man im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit ein neues Wort gesucht und in unbekannten, vermutlich arabischen Quellen gefunden? Worte für Gefahr standen selbstverständlich zur Verfügung. Neu – aber zumindest für Seefahrer und Pilzsammler nicht ganz neu! – war nur die Anforderung, Gefahr als Gegenstand und als Folge einer eigenen Entscheidung zu sehen.” (ebd., S. 362)

“Durch die technologische, geldwirtschaftliche und organisatorische Entwicklung der modernen Gesellschaft wird heute vieles als Risiko gesehen, was früher als Gefahr behandelt worden wäre. Nach wie vor kommen Viren und Bakterien von außen, aber wenn man sich nicht impfen läßt oder sich nicht versichert, ist das ein Risiko. Entsprechend nimmt das Risikobewußtsein auf Kosten des Gefahrenbewußtseins zu. Bekannte Gefahren – Erdbeben und Vulkanausbrüche, Aquaplaning und Ehen – werden zu Risiken in dem Maße, als bekannt ist, durch welche Entscheidungen man vermeiden kann, sich ihnen auszusetzen.” (ebd., S. 231)

“Was die eigenen Entscheidungen angeht, ist man oft extrem risikobereit: Man fährt Auto oder sogar Motorrad, man klettert auf Berge, man heiratet. Bei Gefahren, die einem von anderer Seite zugemutet werden, ist man dagegen hochempfindlich.” (ebd., S. 366)

“Supertheorien sind nicht etwa normale Theorien mit leicht erhöhter Oktanzahl.” (ebd., S. 57)

“Herr Professor Luhmann, welche Kritiker ihrer Systemtheorie fürchten sie am meisten?” – “Die Dummen.” (Bericht von Ulrich Boehm, Uniaudimax, 1973)