Der Alleswisser ist eine Person speziellen Charakters. Er befindet sich in der Regel in einem höheren Fachsemester eines bestimmten Studienfachs, zumeist Philosophie, Informatik oder Jura. Obgleich ein Fachidiot, so fühlt sich der Alleswisser – es handelt sich dabei immer um Männer – in gleich welchem wissenschaftlichen Diskurs zuhause. Er akzeptiert keine disziplinäre Verengung seines Wissens. Allein die Tatsache, dass er durch die akademischen Aufwendungen für sein eigentliches Studienfach semantische Verkomplizierungsstrategien erlernt und sich einen kleinen Pool an Fremdwörtern, Autorennamen, Ismen und Argumentationsfiguren angeeignet hat, verleitet ihn zu dem Glauben, dass er damit zum automatischen Teilnehmer an beliebig vielen weiteren wissenschaftlichen Diskursen und Debatten wird, in denen er mit harten Überzeugungen auftreten darf. Dies tut er jedoch freilich nicht im eigentlichen Umfeld des Faches, sondern vor einem ahnungslosen, fachfremden Publikum, welches die intellektuelle Unredlichkeit des Alleswissers nicht recht erkennt. Tatsächlich charakterisiert den Alleswisser jedoch eine ausgeprägte Respektlosigkeit gegenüber wissenschaftlicher Forschung. Weil er meint, sich ein Fachgebiet durch das Lesen von ein oder zwei Papern zur Gänze erschlossen zu haben, verkennt er die eigentliche Komplexität, mit welcher die Wissenschaften die Dinge überziehen. Doch der große Auftritt, das Vorführen sprachakrobatischer Kunststückchen ist dem Alleswisser alles. Ihm geht es, wie Hochstaplern generell, um das Ergaunern von Anerkennung durch geschickte Eindrucksmanipulation beim Publikum. Die tatsächlichen Forschungsleistungen, welche in unzähligen Gebieten in aufwendiger Arbeit unter Beisteuerung von millionenschweren Drittmitteln bereits erbracht worden sind, interessieren den Alleswisser freilich nicht. Er hat nicht die Mittel, sich in die Forschung wirklich einzuarbeiten. Es bleibt beim Theater der Sprache.
“Was ich die Sünde gegen den heiligen Geist genannt habe – die Anmaßung des dreiviertel Gebildeten –, das ist das Phrasendreschen, das Vorgeben einer Weisheit, die wir nicht besitzen.” (Popper, Wider die großen Worte, in: Die Zeit, Nr. 39, 1971, S. 8)