Der Furz ist ein hochsoziales Phänomen. Zu prüfen wäre, inwiefern er sich als anales Derivat zur oralen Lautproduktion kommunikationstheoretischen Kategorien fügt. Sloterdijk, einer der ganz wenigen, der eine linguistische Situierung des Furzes wagt, wenn auch nur auf ein paar Zeilen, schreibt:
“Semiotisch rechnen wir den Furz in die Gruppe der Signale, also der Zeichen, die weder etwas symbolisieren noch abbilden, sondern Hinweise auf einen Umstand geben.” (Sloterdijk, Kritik der zynischen Vernunft, Frankfurt am Main 1983, S. 287)
Der Furz ist ein Grenzphänomen, welches sowohl als reines biologisches Körperverhalten verstanden werden kann als auch als bedeutungsvages Signal. Er ist ein signifikanter Auslöser des Verhaltens anderer. Zumeist geht es dann um eine kommunikative Verfeinerung des Geschehenen. In Sekundenbruchteilen klärt sich, ob der Furz in humoristischer Absicht getätigt wurde oder doch als peinliches Unterfangen klammheimlich übergangen werden sollte. Wird der Furz zu humoristischen Zwecken eingesetzt, besitzt er eine intentionale Dimension – im Gegensatz zur Nicht-Intentionalität des rein biologischen Körperverhaltens – und einen an sich klaren Informationswert. Geübte Furzer mit analverbalen Kompetenzen – Personen mit häufigem Meteorismus dürften hier privilegiert sein – provozieren eine situationsgerechte Platzierung der Flatulenz. Der “Spaßfurzer” legt Einspruch gegen die zivilisatorische Abspaltung und Exilierung der “niederen”, “animalischen” Körperfunktionen ein. Daher ist in hochzivilisierten Kreisen unter Unternehmensführern etwa das Furzen mit den stärksten Peinlichkeitsbüßen verbunden. Als “ätzendes Element” in der Kultur, als freche, kynische Macht “von unten” jedoch ist der schamlos getätigte, geruchsintensive Furz ein Ekelgenerator erster Güte, zu welchem neben etwas trophologischem Praxiswissen nichts als der eigene Körper vonnöten ist. Analsemiotiker differenzieren zudem verschiedene Flatulenzarten: vom Schleicher oder Zischer reicht die Distinktionsskala über Knatterer oder Brummer bis hin zum Kracher oder Röhrer. Neben dem abgeklärt humoristischen Einsatz des Furzes steht die im Rahmen skatologischer Abnormitäten stehende handfeste Furzperversion.
“Die so häufigen Darmstörungen der Kinderjahre sorgen dafür, daß es der Zone an intensiven Erregungen nicht fehle. Darmkatarrhe im zartesten Alter machen ‘nervös’, wie man sich ausdrückt; bei späterer neurotischer Erkrankung nehmen sie einen bestimmenden Einfluß auf den symptomatischen Ausdruck der Neurose, welcher sie die ganze Summe von Darmstörungen zur Verfügung stellen.” (Freud, Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, Stuttgart 2010, S. 71)
Den kulturbedingt anerzogenen Ekel verdrängen dann perverse Lustempfindungen. Die genitale regrediert auf eine anale Sexualorganisation. Es ist allerdings weniger das Furzen, welches den Lustgewinn bringt, sondern vielmehr die Defäkation. Diese ist eher einer psychoanalytischen Untersuchung zugänglich, während der Furz sich dieser weitgehend zu entziehen scheint und sich statt dessen, wie oben angerissen, vielmehr kommunikationstheoretischen Betrachtungen anbietet. Kommunikationssysteme differenzieren zwischen medialem Substrat und Form. Ein Medium besteht aus lose gekoppelten Elementen – die Form fügt diese lose gekoppelten Elemente zu einer strikten Kopplung zusammen. Nur Formen, also im Fall der Sprache syntaktische Regeln, Wörter etc., sind operativ anschlussfähig, nicht aber das mediale Substrat. Der Furz aber ist ein eher lose gekoppeltes Medium. Daher ist er nur unter speziellen Bedingungen, etwa einer technisch schwierig zu realisierenden Furzcodierung, in Sozialsystemen operativ anschlussfähig. Während orale Kommunikation, also Sprache, die Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation an der Stelle der Selektion des Verstehens reduziert, muss der Furz in der Regel erst an jeweils sinnbestimmte Aussagen gekoppelt werden, bis er “verstanden” ist. Während Sprache die Form Laut/Sinn hat, ist der Furz erstmal nur Laut. Wer nur furzt, spricht noch nicht. Erst wenn Verweisungszusammenhänge zwischen dem Furzlaut und gewissen Sinngehalten kondensieren, bekommt der Furz rudimentäre Sprachqualität. Nicht nur Sprache, auch der Furz als Signal ist dem Sinnprozessieren im Medium der Lautlichkeit eingegliedert und damit Teil der Autopoiesis der Gesellschaft.